top of page

Jahreshauptversammlung in Pyhra, Juli 2022
Katharina Hoffelner

Im Juli 2022 war es endlich soweit und es gab einen von langer Hand geplanten Praxistag mit anschließender offizieller Jahreshauptversammlung, aufgeteilt auf 2 Tage.Bereits am Morgen des 16.Juli fanden sich alle Teilnehmer zur offiziellen Begrüßung und Gruppeneinteilung im Turnsaal der LFS Pyhra ein. Dieser Teil war schnell abgehakt, denn die Themen der Workshops, die den ganzen Vormittag über stattfanden, lockten die Anwesenden in die Praxis. Die drei Gruppen besuchten im Wechsel die verschiedenen Workshops mit den Themen „Zusammenarbeit zwischen Tierarzt und Klauenpfleger“ von und mit Dr. Christoph Meis aus Deutschland, „Entlastungsschnitt, wann ist dieser

ausreichend und wann braucht es zusätzlich eine Entlastungshilfe?“ mit Dr. Johann Kofler und „Lähmung des Radialisnervs beim Rind“ mit Dr. Heidemarie Nikl-Zinner. Eine Stunde in etwa dauerten die Workshops jeweils und dann rotierten die Gruppen weiter zur nächsten Station. Bereits im Laufe des Vormittags wurden wir mit einer Stärkung in Form von Jause und Kaffee bestens versorgt.

Gut ausgerüstet mit etwaigen Klauenpflegewerkzeugen starteten die Teilnehmer nach dem gemeinsamen Mittagessen in den Praxisnachmittag, bei dem es die Möglichkeit gab, verschiedenste Klauenpflegestände zu testen. Insgesamt waren 6 verschiedene Modelle vor Ort: Firma Rosensteiner mit einem ihrer Kippstände, Firma KVK mit einem Durchtreibestand, Firma Wopa auch mit einem Durchtreibestand, Firma Strohm-Weiß mit dem Klaux-Durchtreibestand, Klauenpfleger Rinner Dietmar mit seinem ergonomisch angepassten Kippstand und ein Kippstand der Firma Weiß-Pesenhofer, der so oder so vor Ort vorhanden ist. Die Nachfrage und das Interesse waren bei allen Modellen sehr groß, es gab auf alle Fälle jede Menge Gesprächsstoff und Erfahrungsaustausch unter den Kollegen. 

Nachdem zahlreiche Kühe aus dem Kooperationsstall in Pyhra auf den verschiedenen Klauenpflegeständen gepflegt wurden, wurde dann im Anschluss gemeinsam noch dafür gesorgt, dass alle wieder sauber werden. Sowohl Klauenpflegestände als auch Aussteller und Klauenpfleger, bevor es dann zum Abendessen ging.

Nach dem Abendessen, welches mit dem schuleigenen gebrauten Bier bestens ergänzt wurde, wurde dann auch der Sieger unseres Schätzspiels bekannt gegeben und dank des Musikertrios, welches den Abend musikalisch umrahmte, war die Stimmung jederzeit bestens. Und selbst nachdem das Trio seinen Auftritt beendet hatte, gab es noch gute und vor allem abwechslungsreiche Musik aus der Musikbox bis in die frühen Morgenstunden.

Auch wenn die Nacht, die wir im nagelneuen Internat der Schule verbringen durften, eher kurz war, starteten wir sonntags trotzdem pünktlich mit der offiziellen Jahreshauptversammlung der AÖK. Die offiziellen Tagungspunkte, Begrüßung durch den Obmann, Rückblick, Kassabericht, Entlastung des Vorstandes, Ergänzungswahlen, Vorschau 2023 und Allfälliges wurden abgearbeitet und im Anschluss fuhren alle Teilnehmer noch zu einem gemeinsamen Mittagessen in einem nahe gelegen Gasthaus.

Ein großes Dankeschön geht auch an dieser Stelle nochmals an die LFS Pyhra für die Möglichkeit, unsere Jahreshauptversammlung an diesem perfekt geeigneten Standort, mit tollen Übernachtungsmöglichkeiten und guter Verköstigung, abhalten zu dürfen. Danke für die gute Zusammenarbeit, die auf alle Fälle einen wesentlichen Zeil zum reibungslosen Ablauf und zur guten Stimmung dieser gelungenen Veranstaltung beigetragen hat.

 

Workshop Schritt 4 der funktionellen Klauenpflege – der entscheidende Schritt zur fachgerechten Entlastung von Defekten

Dr. Johann Kofler und Stefan Öschlberger

Der Schritt 4 der funktionellen Klauenpflege war einer der Praxisschwerpunkte am Tag vor der letzten Jahreshauptversammlung der AÖK im Juli 2022 an der LFS Pyhra bei St. Pölten. Der Schritt 4 der funktionellen Klauenpflege, d.h. die korrekte Entlastung von Defekten an der Klaue war deshalb als Praxisthema für die Teilnehmer:innen ausgewählt worden, weil bei fachgerechter Umsetzung dieses Schrittes jede in der Klauenpflege gut geschulte Person es in der Hand hat, dass das betroffene Tier bei Vorliegen von Klauenhornerkrankungen, die maximal der Lederhaut betreffen, schnell wieder lahmheitsfrei wird. Deshalb ist der fachgerecht durchgeführte Schritt 4 der funktionellen Klauen wirklich entscheidend für das Tierwohl.

Diesmal war das Interesse der teilnehmenden Klauenpfleger:innen sehr groß, was sich daran zeigte, dass alle an einer oder mehreren Klauen diesen wichtigen Arbeitsschritt auch selbst durchführten, nachdem er erklärt und auch praktisch vorgezeigt worden war. Dabei wurden unterschiedliche Szenarien der korrekten Entlastungstechnik bei Vorliegen von (schmerzhaften) Defekten durchgespielt, wie sie auch in der täglichen Praxis vorkommen: einerseits die fachgerechte Vorgehensweise bei Klauenpaaren mit ausreichend hoher Trachte der Maßklaue, mit niedriger Trachte an der Maßklaue, mit Vorliegen von Defekten, welche die hintere Hälfte oder mehr der Fußungsfläche umfassten, sowie bei Vorliegen einer dünnen Sohle an der Maßklaue.

Klauenhornerkrankungen wie Sohlenblutungen, Doppelsohlen, Sohlengeschwüre, Sohlenspitzengeschwüre, weiße-Linie-Defekte und weiße-Linie Abszesse lassen sich durch vorbeugende Klauenpflege in kurzen Intervallen von 3 -4 Monaten entweder im bestem Fall ganz vermeiden bzw. können mittels fachgerecht durchgeführter, therapeutischer Klauenpflege und entsprechender kontinuierlicher Nachsorge sicher zur Abheilung gebracht werden. Alle Klauenhornerkrankungen sind letztlich bedingt durch übermäßigen Druck auf die Sohle und den gesamten Klauenschuh, wobei harte Laufflächen, zu kurz und zu eng dimensionierte und ungenügend eingestreute Liegeflächen, Überbelegung, verlängerte Stehzeiten der Kühe infolge Hitzestress und auch zu langer Wartezeiten beim Melken, zu lange Klauenpflegeintervalle mit der Folge der Überbelastung der hinteren Außenklauen sowie eine fehlerhafte Transit- bzw. Leistungsfütterung, die zu Klauenrehe und Absinken des Klauenbeines führt, als wichtigste ursächliche Faktoren gelten. Alle diese Einflussfaktoren führen bei längerem Einwirken letztlich zu einer Überbelastung vor allem der hinteren Außenklauen, so dass sich  druckbedingte und oftmals auch schmerzhafte Klauenhornerkrankungen mit entsprechend deutlicher Lahmheit entwickeln.

Die Ursachen für Lahmheit bei Milchviehkühen liegen zu mehr als 90% in Erkrankungen der Klaue und der Haut um die Klauen. Diese Tatsache erleichtert nicht nur die Erkennung und Behandlung von Klauenerkrankungen durch geschulte Klauenpfleger und Tierärztinnen, sondern diese Tatsache erleichtert auch die Umsetzung von Vorbeugemaßnahmen, um schmerzhafte Klauenerkrankungen ('Alarmerkrankungen') zu reduzieren oder sogar zu vermeiden. Abhängig vom Vorliegen der jeweiligen Risikofaktoren ist die Häufigkeitsrate von Lahmheit in den einzelnen Milchviehbetrieben sehr unterschiedlich, in Österreich wurden in den letzten Jahren immer wieder mittlere Lahmheitshäufigkeiten von 31% auf Herdenebene berichtet, wobei die Lahmheitshäufigkeit in einzelnen Betrieben von < 5% bis ca. 78% betragen kann.

Der wirtschaftliche Schaden, den ein Milchviehbetrieb durch Klauenerkrankungen bzw. Lahmheit erleidet, ist beträchtlich und setzt sich aus offensichtlichen und verborgenen Kosten zusammen wie verminderte Milchleistung, verschlechterte Fruchtbarkeitsmerkmale (verlängerte Güstzeit und Zwischenkalbezeit), Abmagerung (Gewichtsverlust ...), Kosten durch zeitweilige Wartefristen für Milch, erhöhte Abschaffungsrate der Rinder (frühzeitige Schlachtung bzw. Totalverlust des Schlachtkörpers), Remontierungskosten, Kosten für Klauenpfleger und Tierärztin sowie gesteigerte Arbeitskosten für Management und Behandlung lahmer Rinder durch den Tierhalter. Unter Berücksichtigung aller dieser Kostenfaktoren verursacht eine einzige lahme Milchkuh im Betrieb einen Verlust (nicht erzielten Gewinn) von ca. 450 Euro pro Laktation. Im Gegensatz zu diesem doch hohen Betrag, den eine lahme Kuh im Schnitt kostet, erscheinen die Kosten einer zusätzlich, vorbeugend vorgenommen Klauenpflege mit ca. 12 – 14 Euro pro Tier doch ziemlich bescheiden. 

Die Erhaltung einer guten Klauengesundheit in der Milchviehherde ist aus Gründen des Tierschutzes („Tierwohl“) aber selbstverständlich auch aus eigenem betriebswirtschaftlichem Interesse, wie eben dargestellt, anzustreben. Einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung einer guten Klauengesundheit leistet die fachgerecht durchgeführte funktionelle Klauenpflege, welche in Herden mit einer mittleren 305-Tage Laktationsleistung von mehr als 9000 kg dreimal pro Jahr erfolgen sollte. Dabei sollte jede Kalbin bereits um den ersten Belegungstermin bzw. spätestens ca. 2 Monate vor der ersten Geburt das erste Mal klauengepflegt werden. Die Durchführung einer Herdenpflege einmal im Frühjahr und dann wieder im Herbst ist optimal, wenn dazu noch jede Kuh auch vor dem Trockenstellen und wiederum um den 40. – 60. Laktationstag auf Lahmheit kontrolliert und einer vorbeugenden bzw. therapeutischen Klauenpflege unterzogen wird. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht und auch aus Sicht des Tierwohls gilt es Lahmheit und somit schmerzhafte Klauenerkrankungen in diesen besonders kritischen Perioden der Trockenstehzeit und in den ersten 100 Laktationstagen möglichst zu vermeiden.

 

Vor Durchführung der Klauenpflege werden die Klauen grob gereinigt, die Klauenform (normal, stark angewachsenes Klauenhorn, Rollklaue, chronische Reheklaue, Scherenklaue, ungleiche Klauen) und die bestehende Trachtenhöhe beider Klauen eines Klauenpaares beurteilt und Sohle, Tragrand inklusiver weißer Linie und Hornwand werden auf Defekte und loses Horn untersucht. Zudem wird die Vorderwandlänge sowie die Trachtenhöhe beider Klauen bzw. die Differenz der Trachtenhöhe beider Klauen eines Klauenpaares überprüft (Abb. 50). Erst mit all diesen notwendigen Grund-Informationen kann der/die geschulte Klauenpfleger:in das jeweils korrekte Arbeitskonzept für die praktische Durchführung der Klauenpflege am jeweiligen Klauenpaar im Kopf erarbeiten.

Die Pflege gesunder Klauen unterscheidet sich grundsätzlich von der Pflege von Klauen mit (schmerzhaften) Defekten.

Bei gesunden Klauen (ohne Defekte) aber deutlich angewachsenen Klauen (zu lange Vorderwand, Trachtenhöhe der hinteren Außenklaue deutlich höher als die der Innenklaue) strebt man im Rahmen der Klauenpflege immer eine gleichmäßige Lastverteilung an, d.h. das Ziel der Klauenpflege in solchen Fällen ist es, an beiden Klauen die GLEICH HOHE (und mit 3,5 cm für Hinterklauen auch korrekte) Trachtenhöhe einzustellen. Diese Regel gilt jedoch nicht, wenn die Trachtenhöhe der Innenklaue hinten deutlich weniger als 3 cm aufweist: würde man in dieser Situation die Trachte der Außenklaue trotzdem an die (viel zu niedrige) Trachtenhöhe der Innenklaue angleichen, dann wird die Sohle der Außenklaue zu dünn geschnitten.

 

Hingegen strebt man im Rahmen der Klauenpflege von Klauen mit (schmerzhaften) Defekten (wie Doppelsohle, Sohlengeschwür, weiße- Linie-Defekt, weiße-Linie-Abszess) immer eine Entlastung der erkrankten Klaue an, d.h. am Ende der Klauenpflege MÜSSEN die Trachten beider Klauen UNTERSCHIEDLICH HOCH sein!

 

Schritt 4 der funktionellen Klauenpflege: Horndefekte im Sohlen- und Wandhorn, welche nach Abschluss des Schrittes 3 der funktionellen Klauenpflege noch immer vorhanden sind, müssen entlastet werden wie beispielsweise hochgradige Sohlenblutungen, Doppelsohlen, Sohlengeschwüre, weiße-Linie-Defekte bzw. weiße-Line-Abszesse mit Hornklüften an der äußeren Wand. Dies geschieht durch ein keilförmiges Niederschneiden des Horns im hinteren Abschnitt der Fußungsfläche, wobei der „Keil“ bis nach vorne ans hintere Ende des inneren Tragrandes geschnitten wird. Der/die vorausschauende Klauenpfleger:in hat diese oben genannten Defekte bereits nach Reinigung der Klauen festgestellt, und hat daher an der Maßklaue die Trachtenhöhe völlig unberührt stehen lassen. Misst die Trachtenhöhe der Maßklaue nun 3,5 cm oder sogar mehr, dann besteht eine gute Voraussetzung für eine ausreichende Entlastung des Defektes mittels dieses keilförmigen Entlastungsschnittes (Abb. 51). Liegt ein weiße-Linie-Defekt vor, dann darf jedoch das Sohlenhorn im hinteren Klauenabschnitt nur soweit niedergeschnitten werden, bis es auf festen Daumendruck gerade eindrückbar wird. 

Bei einem freiliegendem Lederhautdefekt (Sohlengeschwür, weiße Linie-Abszess) muss der dabei herbeizuführende Höhenunterschied nach neuen Forschungsergebnissen mindestens 10 mm betragen, um den gewünschten Entlastungseffekt zu erzielen. Kann dieser nötige Höhenunterschied mittels therapeutischer Klauenpflege nicht hergestellt werden ohne das Sohlenhorn zu dünn zu schneiden bzw. weil die Trachtenhöhe der Maßklaue einfach nicht genügend hoch ist, dann MUSS ein Klotz zur Entlastung auf die gesunde Nachbarklaue geklebt werden (Abb. 52,53).

Ein Klotz muss jedoch auch immer dann geklebt werden, wenn der zu entlastende Defekt nicht nur das hintere Viertel oder Drittel der Fußungsfläche, sondern die hintere Hälfte oder sogar noch mehr der Klauenlänge umfasst. Dies ist bei großflächigen Sohlengeschwüren und auch bei weiße-Linie-Abszessen, die sowohl Zone 3 und 2 umfassen, immer der Fall (Abb. 52, 53).

Wird im Rahmen der Klauenpflege keine oder auch nur eine unzureichende Entlastung eines vorliegenden Defektes hergestellt, dann kann dieser nicht abheilen, die Lahmheit wird stärker werden und man riskiert, dass in weiterer Folge wichtige tiefe Stützstrukturen wie das Klauenbein, Klauensesambein, die tiefe Beugesehne und auch das Klauengelenk infiziert werden. Im Zweifelsfall muss der/die Klauenpfleger:in daher immer im Sinne des lahmen Tieres handeln, d.h. einen Klotz auf die gesunde Nachbarklaue kleben, damit eine vollständige Entlastung der erkrankten Klaue sicher gewährleistet ist.

Defekte im Bereich der Sohlenspitze (Doppelsohle, Geschwür, weiße-Linie-Defekt, …) können NIEMALS mittels Anbringen eines keilförmigen Schnittes entlastet werden, sondern hierbei muss immer ein Klotz auf die gesunde Nachbarklaue geklebt werden, um eine Entlastung zu gewährleisten.

Das Anlegen eines Verbandes z.B. bei Vorliegen eines Sohlengeschwürs oder eines weißen-Linie-Abszesses (ohne Kleben eines Klotzes) führt NIEMALS zu einer Entlastung.

 

Bevor ein Klotz auf eine Klaue geklebt wird, überprüft man immer, ob diese frei von Defekten und ob die Sohle überhaupt ausreichend dick ist. Letzteres überprüft man, indem die Sohle mit Hilfe der Untersuchungszange abdrückt, wodurch eine indirekte Bestimmung der Sohlenhorndicke möglich ist. Liegt an der Maßklaue, an welcher ein Klotz angebracht werden soll eine dünne Sohle vor (die Sohle lässt sich dabei entweder bereits mit festem Daumendruck oder bei geringen Zangendruck leicht eindrücken), dann MUSS ein Weichplastikklotz mit dem entsprechenden Sekundenkleber verwendet werden.

 

Mit dem Kleben des Klotzes allein ist jedoch noch lang keine Heilung des Defektes gewährleistet. Der Tierhalter muss nun täglich z.B. im Melkstand etwa in den nächsten 4 -6 Wochen kontrollieren, ob der Klotz noch vorhanden ist und wie sich die Lahmheit entwickelt. Fällt der Klotz vorzeitig ab, dann MUSS sofort ein neuer Klotz geklebt werden, weil nur so unter kompletter Entlastung über einige Wochen hinweg eine Abheilung des Defektes durch Deckung desselben mit einer neuen Hornschicht erfolgen kann.

 

Kontaktadressen: Prof. Dr. Johann Kofler, Vetmeduni Wien, e-mail: Johann.Kofler@vetmeduni.ac.at und
Stefan Öschlberger, Henndorf, e-mail: st.oe@gmx.at

 

Workshop Zusammenarbeit Tierarzt und Klauenpfleger
Dr. Christoph Meis

In unserer täglichen Arbeit begegnen uns immer wieder Rinder mit teils hochgradigen Lahmheiten und sehr schmerzhaften Klauendefekten mit Beteiligung der Lederhaut oder auch tiefer Strukturen, wie dem Klauenbein, dem Sesambein oder der tiefen Beugesehne. Nicht - Tierärzten bleibt bei Berücksichtigung des Tierschutzgesetzes lediglich eine Entlastung der betroffenen Klaue und einfacher Wundversorgung mit langfristig eher wenig zufriedenstellenden Ergebnissen. Am 16.7.2022 hatte ich die Gelegenheit mit drei Gruppen wissbegieriger Kollegen aus der Klauenpflege die Behandlung tiefer Klauendefekte unter Schmerzausschaltung zu demonstrieren. So konnten wir im Rahmen der Klauenpflege bei Kühen mit schmerzhaften Defekten zeigen, wie die Chirurgie an der Klaue und eine vollständige Wundbehandlung im Stall unter alltäglichen Bedingungen durchgeführt werden können. So konnten wir erarbeiten, wie selbst eine chronische, sehr schmerzhafte DD M4.1 Läsion unter Anästhesie versorgt und zur Abheilung gebracht werden kann, ein über die gesamte Fläche des Wandhorns ausgeprägter Weiße Linien Abszess oder eine hochgradige Doppelte Sohle für die Kuh fachgerecht und tierschutzkonform versorgt werden können.

Dies sollte einerseits in Echtzeit demonstrieren, wie wenig aufwändig so eine Behandlung sein kann und andererseits ermutigen, die Zusammenarbeit zwischen der Klauenpflege und der Veterinärmedizin zu intensivieren - im Sinne und Auftrag unserer Rinder! Angeregte Mitarbeit und interessierte Gespräche während der Behandlungen lassen hoffen, dass einige nun dieses Angebot der Zusammenarbeit nutzen. Ist es nicht schön, eine lahme Kuh in den Klauenstand zu bringen, die diesen dann nach der Behandlung fast lahmheitsfrei wieder verlässt?!

 

Workshop Radialisparese
Dr. Heidemarie Nikl-Zinner

Am 16.07.202 durfte ich die Workshopstation „Radialisnervlähmung“ beim Praxistag in Pyhra betreuen! Die Workshopstation teilte ich in einen Theorieteil und einen Praxisteil.

Der N.radialis entspringt im Bereich 7 Halswirbel und 1 Brustwirbel. Er zieht innen, am Schultergelenk vorbei, an die Außenseite, und enganliegend am Oberarmknochen nach unten. Der N. radialis versorgt den großen Streckmuskel des Ellbogengelenks (M. triceps brachii) und den Streckmuskel des Carpalgelenks und der Zehenendgelenke.

Die Hauptprobleme entstehen an der Stelle caudal des Schultergelenks, wo der N. radialis von der Innenseite an die Außenseite des Schultergelenks durchtritt und dann enganliegend am Oberarmknochen an der Vorderseite und Außenseite des Oberarms nach unten läuft. Kommt es in diesem Verlauf zu einem, starken, langanhaltenden Druck auf den Nerv, dann kann es zu einer Verletzung des N. radialis kommen. Diese lässt sich am Ausfall der Muskeln erkennen, welche von diesem Nerven versorgt werden (wie oben beschrieben). Klinisch zeigt sich, dass das Ellbogengelenk abgesunken ist, Carpus und Zehenendgelenke gebeugt sind (Kusshandstellung-Vorderwand der Klaue berührt den Boden) und das Tier kann kein Gewicht auf die betroffene Gliedmaße aufnehmen und die Gliedmaße wird nachgezogen. Weiters ist die Haut an der Außenseite zwischen Ellbogen und Carpalgelenk unempfindlich. Je nach Schwere der Schädigung des Nervens gibt es unterschiedlich stark ausgeprägte Symptome. Ursachen können neben der Klauenpflege, auch Verletzungen, Frakturen, Hämatome und Abszesse sein. Die N. Radialislähmung kann sowohl im Kippstand als auch im Durchtreibestand entstehen. Im Kippstand ist das Liegen auf einer harten Unterlage, zu wenig Polsterung, zu viel Zug auf die Gliedmaße, unphysiologische Fixierung und natürlich der Zeitfaktor, wie lange das Tier liegt, ursächlich. Im Durchtreibstand kann es durch die Fixierung der Vordergliedmaße seitlich am Metallrahmen, sowie durch das nach vorne Drängen an den Halsfangrahmen, sowie das nach vorne drängen und in die Knie gehen, zu einer Nervenverletzung kommen. Als erster Schritt muss der Tierarzt hinzugezogen werden. Dieser muss das Tier untersuchen, die Diagnose stellen und die Therapie, Dauer und Prognose besprechen. Ein Stützverband mit Polsterung und PVC Rohr, ein Robert Jones Verband oder ein Cast vom Klauentragrand bis knapp unterhalb des Ellbogengelenks muss angelegt werden. Zusätzlich sollte dem Patienten Vitamin B und ein NSAID über mehrere Tage verabreicht werden. Die Aufstallung in einer Strohbox, mit rutschfesten Boden, ist unerlässlich. Wöchentlich sollte der Verband und der Therapieerfolg kontrolliert werden.  Bei leichten Formen sollte sich schon in einer Woche eine deutliche Besserung zeigen, schwere Formen können auch über 6-8 Wochen dauern. Es gibt auch irreversible Nervenschäden. Bei mangelnder Besitzer Compliance ist es anzuraten das Tier zu schlachten.

Am Ende der Power-Point Präsentation wurde an einem frischen Präparat, einer Vorderextremität eines Kalbes, der Verlauf des N. radialis gezeigt und die Problempunkte wurden veranschaulicht. Im Stall führten wir den Praxisteil durch. Eine Fleckviehkuh wurde fixiert und die anatomischen Strukturen wurden an der Vorderextremität bestimmt und mit farbigen  Viehstiften markiert. Ein Stützverband mit Polsterung und zur Stabilisierung, ein in der Mitte durchgesägtes PVC Rohr, wurde provisorisch angelegt.  

bottom of page